Eine Woche wohnten wir als kleine Familie schon in unserem neuen Heim. Soeben parkte ich das Auto mit der letzten Umzugskiste vor unserem zukünftigen Zuhause ein. Kurz drehte ich mich um, um mit meinem zweijährigen Sohn die Freude über den erfolgreichen Umzug zu teilen. Und was bekam ich als Antwort? „Papa, nein! Nachhause fahren“. Worte, die mein Herz bluten ließen.
Der Anfang
So wie uns, geht es wohl auch vielen anderen Familien. Ein neuer Mitbewohner zeigt umgehend die Schwachstellen der eigenen vier Wänden auf. Je größer und aktiver mein Sohn wurde, desto kleiner wurde unsere Wohnung. Außerdem fand auch bei mir ein Umdenken statt. Bevorzugte ich jahrzehntelang das Wohnen in der Stadt mit ihren kurzen Wegen, träumte ich nun vom Heim im Grünen am Stadtrand. Dort sollte Samuel in einer gewissen Idylle aufwachsen können. Anfang des Jahres setzten meine liebe Ehefrau und ich den Plan in die Tat um.
Veränderungen machen Kindern zu schaffen
Zeitgleich mit unserem Umzug startete auch seine Kindergartenkarriere. Überraschenderweise völlig unproblematisch. Doch ohne ein Babyflüsterer sein zu müssen, wusste ich, dass jede Veränderung einem Kleinkind zu schaffen macht. Und wir legten ja mit der Übersiedlung noch etwas nach. Wie sehr ihn diese Veränderungen tatsächlich beschäftigten, konnte ich wiederum nur erahnen. Zwar quasselt mein zweijähriger Sohn brav vor sich hin, aber er gibt nur selten verbale Einblicke in seinen Gemütszustand. Auf Nachfrage erhalte ich stets ein „Alles gut, Papa“. Klingt einerseits beruhigend. Andererseits lag es noch mehr an seinen Eltern, sein Verhalten genau zu beobachten und eine Reihe von Vorkehrungsmaßnahmen zu treffen.
Die Maßnahmen
Zunächst planten wir viel mehr Zeit für den Umzug ein. Wir redeten immer wieder vom neuen Zuhause, versprühten übermäßig viel Vorfreude. Die Renovierungsarbeiten erledigten wir in Familien-Team-Arbeit. Ein Elternteil arbeitete, der andere beschäftigte sich intensiv im neuen Zuhause mit Samuel. Zu Beginn richteten wir sein eigenes Zimmer her, übersiedelten Zug um Zug seine Spielsachen. Fest im Glauben, so eine vertraute Umgebung schaffen zu können. Gemeinsam entdeckten wir die neue Umgebung, suchten Bobby-Car-Strecken, eroberten den nahen Spielplatz. Bis wir jeden Grashalm in unmittelbarer Nähe kannten.
Die ersten Tage
Rund drei Monate nach Projektstart verbrachten wir die erste Nacht in unserem neuen Zuhause. Samuel zeigte keine Anpassungsschwierigkeiten. Ja, er teilte sogar die große Freude mit seinen Eltern, indem er immer wieder vom „neuen Zuhause“ sprach. Wir klopften uns auf die Schultern, dachten alles richtig gemacht zu haben. Und dann fiel eine Woche später dieser „Nachhause-fahren“-Satz. Den mein Sohn auch in den nächsten Tagen wiederholte.
Ein Schritt zurück
Kurz überlegte ich, mit meinem Sohn noch einmal in die alte Wohnung zu fahren. Zum Glück redete mir meine liebe Ehefrau dieses Abschiedsritual aus. Stattdessen intensivierten wir unser Maßnahmenpaket. Ich nahm mir ein paar Tage Urlaub, um noch mehr gemeinsame Familienzeit zu verbringen. Ein hartnäckiger Virus verschaffte uns ungeplant noch einige kindergartenfreie Tage dazu. Wir entdeckten jeden Winkel im neuen Zuhause, räumten die Regale mit seinen Spielsachen aus und wieder ein. Mehrmals täglich. Anscheinend konnten wir alle nicht glauben, wie viele Dinge er bereits besitzt. Ja, wir servicierten unseren Sohn regelrecht.
Und heute?
Das Intensivprogramm zeigte Wirkung. Rund einen Monat nach unserer ersten Nacht im neuen Zuhause. Denn eines Abends startete mein Sohn sein Gute-Nacht-Ritual mit den Worten „Im neuen Zuhause bleiben. Immer“. Die Erleichterung war uns ins Gesicht geschrieben. Wir setzten dennoch unser Pokerface auf. Um ja nicht zu zeigen, dass wir uns jemals Sorgen gemacht hatten. Ob wir beim Umzug alles richtig gemacht haben? Wahrscheinlich nicht. Vor allem unser Timing mit Kindergartenstart und anschließender Übersiedlung war nicht glücklich gewählt. Dennoch: Wir haben mit viel Zeit, Aufmerksamkeit und Geduld die erste große Hürde genommen. Mein Sohn fühlt sich sichtlich wohl in seinem neuen Zuhause. Doch die nächste Challenge wartet bereits auf uns: Beim Verlassen der neuen vier Wände protestiert der kleine Mann regelmäßig lautstark …
Ist die Akzeptanz beim Kind erst einmal angekommen und es hat sich an die neue Umgebung gewöhnt, dann ist auch schnell der Umzug und vielleicht auch die Kosten der Umzugsfirma schnell vergessen.