Es geschah aus dem Nichts. Ich wollte einfach nur den Legostein wieder auf dem Turm anbringen. So wie sonst auch. Und erntete dafür einen noch nie dagewesenen Wutausbruch. Absender war mein dreijähriger Sohn. Der mit einer Handbewegung auch gleich den ganzen Turm dem Erdboden gleichmachte. In Gedanken ging ich die letzten Lego-Arbeitsschritte durch, um meinen Fehler und den Grund für den Gefühlsausbruch zu finden. Bei der Lärmkulisse kein einfaches Unterfangen. Gleichzeitig blockte der kleine Mann meine Beruhigungsversuche ab. Er war gegen alle und alles – und wir am Beginn der Trotzphase.
Die Trotzphase
Rund eine Stunde dauerte es an diesem Abend, bis mein Sohn sein Engelsgesicht wieder aufsetzte. Einfach so, als ob nie etwas geschehen gewesen wäre. Pragmatisch schob ich den Vorfall in die Kategorie „schlechter Tag“ und wollte das Kapitel beenden. Mein Sohn verfolgte andere Pläne. Manchmal setzte seine Unpässlichkeit frühmorgens ein, weil ich es wagte, den Honig auf die falsche Ecke des Brotes strich. Ein anderes Mal zählte die einstige Lieblings-Haube plötzlich zu den „Most-hated“-Kopfbedeckungen. Oder ihn störte plötzlich die Gesellschaft vom Mama und/oder Papa. Seine Themenpalette an Auslösern für einen Wutausbruch gestaltete sich kreativ. Auch die Frequenz wählte der kleine Mann völlig willkürlich. Nach ein paar Tagen entspannter Ruhe, folgten Missstimmungsbekundungen unmittelbar aufeinander.
Was tun?
Zunächst versuchte ich Verständnis für sein Verhalten aufzubringen. Würde ich nicht auch gerne einmal mein Unverständnis über das Handeln anderer herausschreien? Und wie! Geht aber nicht. Also versuchten wir als Eltern die Auslöser zu minimieren. Und begaben uns auf einen schmalen Grat zwischen konsequenter Erziehung und Diktat eines dreijährigen Kindes. Rasch erkannten wir jedoch, dass wir mit Nachgiebigkeit uns allen nichts Gutes in dieser Trotzphase taten. Kurz gesagt: Besser er regte sich auf, keinen Trinkbecher zu bekommen, als darüber, dass er das Wasser aus dem Becher nicht auf den Boden verschütten darf. Also hieß es, Ruhe bewahren.
Ruhe bewahren – ja, eh …
Ruhig bleiben, ist natürlich leichter gesagt, als getan. Die kleine, tickende Zeitbombe fordert uns heraus, zerrt am elterlichen Geduldsfaden. Gleichzeitig merken wir, wie ihn Dinge intensiv beschäftigen, die für ihn anders laufen, als gedacht (Stichwort: Lego-Stein). Aber auch, dass er versucht, seinen Kopf durchzubringen. Und jeder Gefühlsausbruch verlangt scheinbar nach einer anderen Lösung. Manchmal reicht ruhiges Nachfragen, was denn plötzlich so störe, ein anderes Mal wirken lange Erklärungen, warum das jetzt so sein muss. Oder einfach etwas Ablenkung. Hin und wieder klappt es, ihn einfach in den Arm zu nehmen, um zu beruhigen. Oder es nützt wiederum rein gar nichts. Ein Patent-Rezept gibt es (noch) nicht. Schwierig ist es zudem, konsequent bei Regeln zu bleiben. Vor allem anfangs dachte ich mir oft, ihm doch einfach seinen Willen zu lassen und unsere internen Vorgaben aufzuweichen. Falsch gedacht, wie mir meine liebe Ehefrau ausführlich erklärte.
Ausblick
Das viel zitierte „vor Wut auf dem Boden wälzen im Supermarkt“ habe ich noch nicht erlebt. Auch, weil der kleine Rabauke gut angeschnallt im Kinderwagen oder Einkaufswagen sitzt. Der kluge Vater baut ja vor. Sonst gilt einfach die Parole „Augen zu und durch“. Denn auch diese Phase wird vorübergehen. Und stimmt die These, je mehr Trotzanfälle im Kleinkindalter, desto gemäßigter fällt die Pubertät aus, blicke ich entspannt in die Zukunft.