Es war die Premiere. Noch dazu an unserem Hochzeitstag: Erstmals verbrachten meine liebe Ehefrau und ich einen Abend ohne Baby. Erstmals waren wir wieder ein Paar und nicht nur Eltern unseres Samuel. Erstmals waren wir wieder zu zweit und nicht zu dritt. Damals, ja damals, als wir noch in guter Hoffnung lebten, nahmen wir uns fest vor, auch nach der Geburt unseres Sohnes auf uns, auf unsere Zweisamkeit zu achten. Klingt in der Theorie so einfach und praktikabel. In der Umsetzung ist das jedoch viel, viel schwieriger.
Die Planung
Eine gemeinsame, elterliche Abwesenheit verlangt sensible Planung. Das Einfachste war die Suche nach einem Babysitter. Noch stehen ja die Kandidaten Schlange, um Zeit mit Samuel zu verbringen. Ich entschied mich für eine Aufsichtsperson mit kompetenter Vita und jahrelanger Erfahrung – für Samuel`s Opa. Schwieriger gestaltete sich, meine liebe Ehefrau von meinem Vorhaben der erstmaligen Abwesenheit von unserem Sohn zu überzeugen. Dabei hatte ich natürlich den emotionalen Vorteil, tagtäglich meinen Büro-Alltag ohne Samuel verbringen zu müssen. Die babyfreie Zeit seiner Mama summiert sich in acht Wochen auf insgesamt 15 Minuten. Da wagte sie einen alleinigen Spaziergang um den Häuserblock. Ich wählte den maskulinen Weg, d.h. ich verzichtete auf inhaltliche Diskussionen und plante meine liebe Ehefrau unmittelbar davor mit meinem Vorhaben zu überraschen. Vorerst. Denn der eilig einberufene Expertenrat erfahrener Ehemänner brachte mich mit dem Hinweis, dass eines Mannes Plan nur selten auch der Plan einer Frau sei, zum Umdenken. Und gut wars. Meine liebe Ehefrau benötigte tatsächlich 48 Stunden Vorlaufzeit, um sich emotional auf die babyfreie Zeit einzustellen.
Der Ablauf
Um 18:18 Uhr verließen meine liebe Ehefrau und ich die Wohnung. Schon im Auto wartete die erste Überraschung: Plötzlich saß jemand –wie früher –neben mir und nicht auf der Rückbank neben unserem Sohn. Und gleich folgte der nächste Meilenstein: Wir knackten erfolgreich die zehn-Minuten-Marke. Denn erst elf Minuten nach Verlassen der Wohnung erfolgte die erste SMS an unseren Babysitter. Überrascht über so viel Coolness, wählten wir für unsere Zweisamkeit sogar ein Lokal, das ganze zehn Minuten (!) von unserem Wohnort entfernt lag – das Lokal unserer ersten Begegnung. Und hier passierte wieder Überraschendes: Wir schwelgten in Erinnerungen, waren unheimlich unbeschwert und vergaßen völlig die Zeit. Wir agierten wie zwei Teenager, die die Grenze ihres Zapfenstreiches ausloten wollten. Aber da war ja noch was …
Der Zielspurt
Ein Blick nach rund einer Stunde auf die Uhr löste bei uns beiden Unbehagen aus. Wie geht es wohl unserem Sohn? Ist alles ok? Warum meldet sich sein Opa nicht (mehr) bei uns? Sollen wir anrufen? Eine SMS schicken? Wir blieben stark, vertilgten das Essen in Rekordzeit, packten die Reste ein. Im eiligen, unbewussten Laufschritt begaben wir uns zum Auto. Ganze 122 Minuten nach Verlassen der Wohnung kamen wir wieder daheim an. Mit einer neuen Erkenntnis: Wir vermissten Samuel sichtlich mehr als er uns. Denn dieser hatte großen Spaß mit seinem Opa. Und mir fielen wieder die Worte unseres Eltern-Expertenrats im Freundeskreis ein: Mit jedem Mal wird’s leichter! Wahrscheinlich. Angeblich. Vielleicht. Hoffentlich.