Dieser Blog-Beitrag trägt durchaus kritisches Potenzial. Aber es ist einfach so: Ratschläge sind auch Schläge! Gerade für frischgebackene Eltern. Schon in der Schwangerschaft langweilte mich der 1000. gut gemeinte Hinweis, wie meine liebe Ehefrau und ich vorgehen zu haben. Klar, Jung-Eltern hängen gerne an den Lippen erfahrener Erziehungsberechtigter. Auch der Austausch mit Freunden, die im gleichen Baby-Boot sitzen, ist stets spannend und bereichernd. Einfach nur, um ein paar Tipps oder die Sicherheit zu bekommen, dass eh alles ok mit unserem Nachwuchs ist. Doch der Grat zwischen Plaudern aus dem Nähkästchen und Besserwisserei ist schmal.
24/7
Meine liebe Ehefrau verbringt seit der Geburt unseres Sohnes 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche mit Samuel. Etwas dahinter liege ich im Zeit-Ranking. Den Grund dafür darf ich allerdings auf meinen Job schieben. Allein aufgrund unserer intensiven Beteiligung an Samuels Entwicklung dürfen wir uns als DIE Experten für unser Kind bezeichnen. Natürlich gibt er uns täglich neue Rätsel auf, für die wir gerne einen Telefon- oder Publikumsjoker mit der richtigen Antwort im Talon hätten. Dennoch trauen wir uns mittlerweile zu, sein Schreiverhalten einem Thema zuzuordnen.
Schlaf
Kurz vor dem Einschlafen lässt Samuel regelmäßig noch einen Tarzan-Schrei los. Eine kurze Beruhigung und der kleine Mann schläft tief und fest. Fahrlässig, wie weitreichend an Konsequenzen, ist, sein Einschlaf-Ritual zu durchbrechen. Dann droht die Stimmung zu kippen. Andererseits erkennen meine liebe Ehefrau und ich bereits, ob Samuel lieber beschäftigt werden oder schlafen möchte. Das kann kein naher oder entfernter Verwandter, kein Freund, kein Gast, kein Arzt, kein Prophet richtig einordnen. Das können eben (fallweise) nur wir, weil wir unseren Sohn jeden Tag besser kennenlernen.
Entwicklung
Eltern machen sich genug Sorgen über die Entwicklung ihres Nachwuchses: Wächst unser Baby normal? Ist dieser Entwicklungsschub normal? Ist der Schluckauf, das Niesen normal? Schläft er zu viel, zu wenig? Die Liste geht ins Unendliche. Wie einen Pickel – mittig auf der Stirn beim ersten Date – brauchen Jung-Eltern dann Schauer-Geschichten über mögliche Krankheiten oder Fehlentwicklungen von erfahrenen Erziehungsberechtigten, die sie irgendwann einmal gehört, gelesen oder sich gar gerade ausgedacht haben.
Erziehung
Schon jetzt prasseln unzählige und für die ratschlagende Partei nicht zu diskutierende Erziehungstipps über meine liebe Ehefrau und mich herein. Noch nehme ich es mit einem Schmunzeln, sind sie doch fern vom 21. Jahrhundert oder widersprechen sich selbst. Ratschläge wie „Tragt das Baby nicht zu viel herum, sonst gewöhnt es sich daran“ folgt einem „lasst das Baby doch nicht im Stubenwagen tagsüber liegen“, dienen als aktuelle Beispiele. Beruhigend ist, dass meine liebe Ehefrau und ich die gleichen Werte und Vorstellungen einer Kindeserziehung haben. Dennoch spüre ich das wachsende Konfliktpotenzial, sollte die (rat-)schlagende Einmischung später einmal an uns vorbei und direkt an unseren Sohn gerichtet sein …
Gesichtsfummelei
Kein Erwachsener würde auf die Idee kommen, einem Gegenüber ins Gesicht zu fassen. Wie schlimm muss es dann für ein Baby sein, nähert sich eine übergroße, fremde Hand in Eiltempo seinem Kopf. Noch kann Samuels Motorik die touchende Gefahr nicht verhindern, erwischt sie ihn vollkommen unvorbereitet und überraschend. Er macht dabei gute Miene zum bösen Spiel. Seine Eltern verkrampft es dabei sichtlich, auch wenn sie gelassen und nicht überängstlich wirken wollen. Denn – abgesehen von dem vermeidbaren Schrecken für unseren Sohn – braucht man kein Virologe sein, um zu wissen, was wie übertragen werden kann …
Mein Appell
Lasst uns Eltern einfach tun! Lasst uns, unsere eigenen Erfahrungen machen! Unterstützt uns gerne dabei, erzählt uns, wie ihr mit Herausforderungen umgeht oder wie ihr Probleme gelöst habt. Nur gebt uns keine Ratschläge mehr und verlangt schon gar nicht, Geiches wie ihr zu tun. Jedes Kind ist anders. Und wir müssen die Experten für unser Baby werden.