Geburtsvorbereitungskurs Teil 2

Die erste Einheit des Geburtsvorbereitungskurses hatte ihre Wirkung nicht verfehlt, beschäftige mich diese doch Tage später noch. So sehr sogar, dass ich die nächste Stunde – ich gestehe – schwänzte. Ich brauchte einfach noch Hebammen-Abstand. Viel entspannter wollte ich in den nächsten Kurs gehen. Dafür legte ich mir meine eigene (Motivations-) Strategie zurecht: Es geht nicht um persönliche Befindlichkeiten, sondern um das Erreichen von Lösungskompetenzen im Geburtsprozess, lautete mein Credo. Und das Stellen von Fragen wird im Zeitalter von Google und Co. sowieso überbewertet. Mit dieser Einstellung begleitete ich meine liebe Ehefrau zur nächsten Stunde unseres Geburtsvorbereitungskurses.

Mein Déjà-vu

Vor dem Saal warteten schon gut gelaunte Paare. Als plötzlich ein schneller, hastiger Schritt die gute Stimmung unterbrach. Da war sie wieder: Unsere Kursleiterin. Tatsächlich saßen keine zwei Minuten später über 30 Erwachsene auf Turnmatten in einem Kreis, bereit, der Ober-Hebamme zu lauschen. Diese konzentrierte, beklemmende Stille erinnerte mich an meine Schulzeit: Meine Latein-Professorin hatte auch dieses Talent binnen weniger Sekunden einen schönen, geselligen Sommertag in einen frostigen, einsamen Wintertag zu verwandeln. Oft saß ich die gesamte Schulstunde wie festgefroren auf meinem Platz und traute mich nicht einmal an mutigen, selbstbewussten Tagen, Blickkontakt mit ihr zu halten oder gar eine Frage zu stellen. Dafür weiß ich heute noch, dass es sechs Fälle im Lateinischen gibt und Caesar nicht nur Katzenfutter ist.

Theorie und Praxis

Die Kursleiterin legte sofort mit ihren Ausführungen los, erklärte mögliche Stellungen bei Wehen, wie den Vierfüßlerstand, die Kipferl-Seitenlage, das Sitzen am Pezziball und einige Atemübungen. Die erste Fragerunde nach dem Theorieteil überstanden alle Teilnehmer, indem sie zustimmend nickten – und schwiegen. Auch ich wählte diese Taktik, mit starrem Blick auf den Boden. Nie wieder werde ich – so naiv wie in der ersten Einheit – eine zum Thema passende Frage stellen. Der anschließende Praxisteil forderte aktive Beteiligung und lieferte viele wertvolle Informationen. Vor allem der Teil mit den Atemübungen und speziell die Zilgrei-Technik – einatmen, fünf Sekunden Luft anhalten, ausatmen, fünf Sekunden Luft anhalten – zauberte nicht nur verschiedene Farben in das Gesicht meiner lieben Ehefrau, sondern versprach auch viele Vorteile für die Geburt.

Der Super-Gau

Doch dann passierte das, was einfach nie passieren darf. Weder in einer Latein-Stunde meiner ehemaligen Professorin noch in diesem Geburtsvorbereitungskurs: Ein Paar musste bei einer Übung lachen. Laut und herzhaft. Ein absolutes No-Go, wusste ich als erfahrener Geburtsvorbereitungskurs-Besucher. Ohne zu zögern ließ die Ober-Hebamme einen Stahl durchdringenden Killer-Blick und einen Rüffel an alle Teilnehmer, sich wieder zu konzentrieren, folgen. Die letzten zehn Minuten verharrten wir vollkommen still, atmeten nur noch zu Übungszwecken.

Zwei Hebammen – zwei Meinungen

Als fortgeschrittene Schwangerschaft-Newcomer lernten meine liebe Ehefrau und ich, neue Informationen stets einem Qualitätscheck zu unterziehen. Von Dr. Google nahmen wir dabei Abstand und suchten dafür physische Expertinnen. So konfrontierten wir die Hebamme unseres Vertrauens mit unserem neuen Wissen über die Fünf-Sekunden-Atmung, nicht ohne die Unantastbarkeit der Ober-Hebamme zu erwähnen. Ihre Antwort, warum meine liebe Ehefrau unserem Baby denn den Sauerstoff nehmen möchte und dass diese Technik absolut nicht förderlich wäre, ließ uns für fünf Sekunden den Atem stocken. Sie forderte mich auf, im nächsten Geburtsvorbereitungskurs diese Atemtechnik zu hinterfragen bzw. zu kritisieren. Aber Hebammen sind eben doch feinfühlig. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sie umgehend meine aufkommende Panik spüren konnte und, um sich selbst zu schützen, ergänzte: „Aber erwähnt ja nicht meinen Namen …“

Und wir? Ja, wir hatten wieder zwei Meinungen – dieses Mal zum Thema Atemtechnik.

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