Mit einem theoretischen und praktischen Teil ist die Geburt für einen werdenden Vater die große Abschlussprüfung der Schwangerschaft. Seit der 12. SSW durfte ich mich offiziell auf dieses Ereignis vorbereiten. Sogar einen möglichen Prüfungstermin erhielt ich frühzeitig, allerdings mit der Auflage, dass dieser sich jederzeit ändern könnte. Wie immer in der Schwangerschaft hieß das Credo auch hier, situationselastisch zu bleiben.
Theoretischer Teil
In der Theorie fühle ich mich für den Tag X gut vorbereitet. Die Atemübungen meiner lieben Ehefrau beobachtete ich professionell, die Adresse des Spitals ist im Navi gespeichert und sogar den Weg vom Eingang des Krankenhauses bis zum Kreißsaal finde ich an guten Tagen innerhalb von wenigen Minuten. Selbst die Vorgaben der Ober-Hebamme des Geburtsvorbereitungskurses plane ich zu befolgen. Und das ist nicht leicht, zählen das Sprechen, das Atmen und meine merkbare Anwesenheit kaum dazu. Sonst hätte die Leiterin des Geburtsvorbereitungskurses nicht so detailliert erklärt, wie werdende Väter den Kreißsaal still und unbemerkt verlassen können bzw. dass eine Einmischung in den Geburtsprozess nicht erwünscht sei.
Wo bin ich?
Mehr als mein schwieriges Hebammen-Verhältnis wird mich an diesem Tag die „Wo-bin-ich“-Frage beschäftigen: Werde ich in der Nähe meiner lieben Ehefrau sein? Werde ich den richtigen Moment erwischen, mit ihr ins Krankenhaus zu fahren? Unsere Hebamme hatte uns gelehrt, erst eine Wehen-Stunde abzuwarten, bevor wir uns zur Anreise entschließen. Ob wir diese Nerven haben, uns nach den ersten Wehen mit einer Stoppuhr auf die Couch zu setzen und gemeinsam über die Abstände und Stärke der Wehen zu philosophieren, bezweifle ich stark. Was mache ich, wenn mein Sohn seine Ankunft in meiner Abwesenheit beschließt? Muss ich mich dann bei der Anreise mit dem Auto ins Spital an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten? Darf ich eine Rettungsgasse auf der Tangente erwarten? Bin ich gar mit dem Fahrrad oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln schneller? Und bei diesen Überlegungen steht der eigentliche Geburtsprozess als große Unbekannte noch bevor.
Praktische Prüfung
Im Praxisteil meiner Abschlussprüfung – also im Kreißsaal selbst – weiß ich, gibt meine liebe Ehefrau den Ton an. Das üben wir ja zum Glück tagtäglich in unserem Alltag. Sämtliche geburtsrelevanten Expertinnen brieften mich zudem, etwaige neue Verhaltensweisen der werdenden Mutter nicht persönlich zu nehmen bzw. ihnen offen gegenüber zu stehen. Dafür fühle ich mich nach über 35 SSW bereit. Über allem steht allerdings die Vorstellung dieses einzigartigen Moments nach der Geburt, wenn ich meinen Sohn das erste Mal in den Händen halten werde und sich mein gesamter Stolz mit meiner großen Freude vereint. Auf diesen Magic Moment weiß ich nicht, mich vorzubereiten – zu gewaltig, einzigartig und unvergleichbar erscheint er mir heute noch!