„Chill mal, Papa!“

Sommerzeit ist Urlaubszeit. Und kindergartenfreie Zeit! Damit ist die Suche nach einem guten Kinder-Beschäftigungsprogramm allgegenwärtig. Ich neige dazu, meinen vierjährigen Sohn mit Vorschlägen zu überhäufen. Das kann auch stressen. Uns beide. Erst langsam erkannte ich, dass es gar keine Detail-Konzepte für die Freizeit braucht. Nicht immer gelingt es mir so gut, keine Pläne und Vorschläge zu haben. Doch dann habe ich mit meinem Sohn mein Korrektiv, der mich mit einem „Chill mal, Papa“ ermahnt. Denn lässt man sich auf diese Planlosigkeit ein, entschleunigt die Zeit mit einem Kind ungemein.

Rückblende

Sommer 2020: Gefühlt zum 1000. Mal wanderte ich mit meinem damals 3,5 Jahre alten Sohn diese fünf Stufen hinunter. Noch ein paar Schritte und wir standen wieder vor diesem bunten, automatenähnlichen Kasten mitten am Campingplatz. Hoch konzentriert nahm der kleine Mann seine imaginären Euro-Münzen aus einem Sackerl und fütterte damit sämtliche Öffnungen. Leise erklärte er murmelnd sein Tun. Ich hingegen fragte mich inzwischen, warum wir nicht Ball spielen, Radfahren oder schwimmen gehen. Warum wir zum x-ten Mal die kaputten Löcher eines hässlichen Automaten mit etwas befüllen, was ich nicht einmal sehe? Was kann denn daran so faszinierend sein, dass sämtliche Zeitrekorde für ein Kinder-Beschäftigungsprogramm fallen?

Meine Geschichte

Mein Alltag besteht aus Terminen und Aufgaben. Komme ich von der Arbeit nachhause, wechsle ich in Rekord-Zeit in den Papa-Modus. Dachte ich zumindest. In Wahrheit überfalle ich meinen Sohn mit einer Sammlung an möglichen Vorschlägen für ein tolles Freizeitprogramm. Ebenso am Wochenende. Ich bemerkte nur langsam, dass ich aus meiner durchgetakteten Haut nicht so leicht rauskomme. Die tägliche Automaten-Tour im Sommer 2020 löste ein erstes Umdenken bei mir aus. Muss denn für meinen Sohn immer alles durchgetaktet sein? Benötigt mein Sohn Auswahlmöglichkeiten für sein Freizeitprogramm?

Meister im Improvisieren

Nein! Er braucht das alles nicht. Schließlich ist er Meister im Improvisieren. Nicht nur einmal stiefelte der kleine Mann in der Vergangenheit zielstrebig los, um seinen Roller aus der Gartenhütte zu holen. Auf dem nicht einmal zehn Meter langen Weg lauerte jedoch eine Ablenkung nach der anderen. Plötzlich faszinierten ihn die Steine am Weg oder er rief mich mit einem überraschten „Schau, Papa“ herbei. Um mir zu zeigen, dass seine Spielsachen noch immer in Reih und Glied im Garten standen. Oder, dass der Gartenschlauch plötzlich wie eine lange Rutsche aussah. Oder dass unsere Hängematte im Wind leicht schaukelt.* Zum Roller gelangen wir schließlich nur in den seltensten Fällen. Aber das ist gar nicht mehr wichtig. Denn lasse ich mich darauf ein, dass mir mein Sohn seine Welt zeigt, entspannt es auch mich tatsächlich.

Entschleunigung

Nicht immer gelingt mir das so chillig. Manchmal zerrt das Geplänkel schon an meinen Nerven. Meist, wenn mein innerer Konflikt durchbricht, und ich in Gedanken schon wieder voller Ideen für ein Beschäftigungsprogramm bin. Meine geistige Unruhe bleibt meinem Sohn nicht verborgen. Mahnende „Chill mal, Papa“-Worte eines Vierjährigen erinnern mich an den Sommer 2020 und ich gebe dem kleinen Mann seinen Gestaltungsfreiraum. Und dann ist es schließlich auch OK für mich, keinen Plan zu haben. Ich bin ja planmäßig darauf eingestellt.

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