Auszeit vom Elternsein: Wie machen das andere?

Donnerstag, 21 Uhr: An diesem Abend dauerte es wieder einmal länger, bis der kleine Mann sein Land der Träume erreichte. Eigentlich sollte jetzt endlich die gemeinsame Zeit als Paar beginnen. Stattdessen liegen wir nur erschöpft auf der Couch und tauschen uns nur kurz über die neuesten Entwicklungen unseres Sohnes aus. Unterbrochen von leidenschaftlichem Gähnen. Die ständige Baby-Bereitschaft zerrt wie ein Kryptonit an unseren Super-Kräften. Der Wunsch nach ein paar Stunden Auszeit vom Elternsein wird geweckt. Unweigerlich stellt sich uns die Frage: Wie machen das denn die anderen? Die, die mit vier Stunden Schlaf auskommen. Die, deren Kinder stets gut drauf und pflegeleicht sind. Die, die genug (Aus-)Zeit für Zweisamkeit und Partys finden.

Was ist passiert?

Mein Sohn ist im November zwei Jahre alt geworden. Als sein Tagesablauf noch überwiegend aus Schlafen, Essen und Liegen bestand, gönnten sich seine Eltern zwei Abende ohne Kind. Das war vor rund 1,5 Jahren. Danach änderte mein Sohn sein Verhalten. Er schrie mögliche Babysitter konsequent in die Flucht und besteht bis heute auf die volle Aufmerksamkeit von Mama oder Papa. Die er in Form einer 24-Stunden-Betreuung auch erhält. Ohne es wirklich zu bemerken, spielten wir das Spiel mit. Tagsüber erzieht ihn seine Mama, abends verzieht ihn sein Papa. Am Wochenende steht er im Mittelpunkt eines gemeinsames Familienausflugs oder zieht mit seinem Papa um die Häuser. Auf der Strecke bleibt die gemeinsame Zeit als Ehepaar.

Sehnsucht nach Zweisamkeit

Plötzlich waren wir nicht nur meilenweit entfernt von unserer Idee, auch als Paar weiterhin aktiv zu sein. Selbst Auszeiten vom Elternsein als Einzelperson fanden kaum noch statt. Das schlechte Gewissen, den anderen allein zu lassen oder eben nicht für sein Kind da zu sein, überstrahlte jede Freude eines unbeschwerten Abends. Denn wenn mal der Laden läuft, wirft jedes Ausklinken eines Erziehungsberechtigten den Ablauf wieder über den Haufen. Immer wieder stellten wir uns die Frage, wie das denn andere nur machen, folgen wir Fotos auf diversen Social-Media-Kanälen befreundeter Eltern. Diese Recherchen wirkten wie Salz auf unseren entzündeten Wunden. Klarerweise mussten wir selbst etwas ändern. Es war schließlich nicht zu erwarten, dass sich plötzlich eine Schlange potenzieller Babysitter vor unserer Wohnung bildet. Oder mein Sohn den Schritt in die Selbstständigkeit wagt. Die Sehnsucht einmal nicht nur Mama und/oder Papa zu sein, sollte uns nicht überrollen. Gleichzeitig mussten wir wieder Kraft für den Alltag schöpfen.

Die ersten Maßnahmen

Zunächst versuchten wir meine liebe Ehefrau aus der Baby-Umklammerung zu lösen. Dafür war es hilfreich, dass unser Sohn seine Eltern gleichberechtigte. Endlich machte der kleine Mann keinen Unterschied mehr, wer ihn zu Bett brachte, ihm das Essen gab oder ihn trösten durfte. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Damit durfte sich meine liebe Ehefrau nach einer langen Pause wieder Auszeiten in Form von Mädelsabenden gönnen. Auch, um zu erkennen, dass ihre beiden Männer die Bude daheim nicht abfackeln und ohne Probleme klar kommen. Das löste etwas den Knoten ihres selbst auferlegten, permanenten Verantwortungsgefühls. Gemeinsam arbeiten wir eifrig daran, eine dritte Bezugsperson in unseren inneren Kreis zu bringen. Dafür reist Samuels Opa einmal pro Woche vom anderen Ende der Stadt an, um Zeit mit seinem Enkelkind zu verbringen.

Die Vision

Die Sache mit der Auszeit vom Elternsein ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite wissen wir, geht es uns gut, geht es unserem Sohn gut. Gleichzeitig wollen wir ja auch nicht „nur“ Eltern sein, sondern auch zwei Erwachsene mit einer gesunden Life-Balance und uns nicht in zwei unterschiedliche Richtungen entwickeln. Weil wir eben Freizeitaktivitäten nur getrennt machen können. Auf der anderen Seite ist einfach nichts schöner, als zu sehen, wie gerne das eigene Kind Zeit mit einem verbringt und sich dabei wohl fühlt. Unsere Vision ist, diesen Spagat in absehbarer Zeit zu schaffen. Und vielleicht fragen dann einmal andere, wie wir das denn so machen …

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