Alles nur eine Phase

Die Online-Literatur und sämtliche Ratgeber warnten mich davor. Auch der Expertenrat langjähriger Erziehungsberechtigter nickte bei meinen Erlebnis-Berichten wissend und erinnerte sich noch gut selbst an diese Zeit zurück. Auch die Kinderärztin und die Hebamme unseres Vertrauens, die wir in unserer Ratlosigkeit konsultierten, sprachen weise von einer „Phase“. Und jetzt kann auch ich sagen: „Ich war dabei!“– bei den Lebenswochen 14 bis 19 eines Babys, der ersten von noch vielen kommenden, intensiven „Phasen“.

Der Weg zum Experten

In den ersten 14 Wochen (ja, ich rechne seit der Schwangerschaft immer noch in Wochen) reifte ich selbstbewusst zum Babyflüsterer heran. Mit jedem Tag ordnete ich die Laute meines Sohnes besser seinem Bedürfnis zu. Plötzlicher Aufgebrachtheit erwiderte ich Ruhe und Geduld, bis Samuel sich in meinem Armen beruhigte oder gar zufrieden einschlief. Kurzum: Ich war stolz auf mich, in kurzer Zeit, so viel über das Baby-Handling gelernt zu haben. Ich sah mich als der Samuel-Experte an, zeigte mich resistent gegen Ratschläge. Doch alles änderte sich, als mein Sohn die 14-Wochen-Marke erreichte …

Engelchen

Pünktlich – das muss er von seiner Mutter haben – mit Beginn der 14. Woche läutete Samuel eine spannende Periode ein: Tagsüber präsentierte er sich in dieser Zeit als wahrer Engel. Stets gut gelaunt, entwickelte er rasend schnell neue Fähigkeiten. Spielzeug bewegte er unkoordiniert von A nach B, täglich lernte er neue Geräusche, die er seinen Eltern auch gerne präsentierte. Seine Augen wurden immer größer, bis sie bereits gefühlte 50 Prozent seines Gesichts einnahmen. Lächelte Samuel, schickte er glucksende Töne nach, strampelte fröhlich und ruderte begeistert mit den Armen. Und seinen Papa machte er stolz, indem er den Ball zu seinem Lieblingsspielzeug erklärte. Samuel war als unser Lebensmittelpunkt angekommen und verstand seine Baby-Rolle auszuleben. Eine Zeit, die uns als Eltern unheimlich stolz und glücklich machte.

Teufelchen

Kaum verschwand die Sonne in den Abendstunden, verabschiedete sich auch die gute Laune meines Sohnes. Nun erwachte das Teufelchen in ihm. Das beinahe vier Monate lang funktionierende Abend-Ritual seiner Eltern führte er ad absurdum. Stattdessen trainierte Samuel in den Abendstunden intensiv sein Stimmorgan. Unfassbar, welch Ur-Gewalt und Ausdauer in so einem kleinen Menschen steckten. Meine liebe Ehefrau und ich sammelten unzählige Erklärungen für sein Verhaltensmuster. Mögliche Wachstumsschübe, das Zahnen, Unruhe, Koliken – intensiv suchten wir nach Ursachen, fanden nur keine Lösungen. Sämtliche erprobten Beruhigungsstrategien führten einfach nicht zum gewünschten Erfolg oder brachten bestenfalls nur kurzfristige Entspannung. Somit führte der Auftakt meiner persönlichen Nachtruhe regelmäßig über eine längere Autofahrt, die Samuel schließlich ins Traumland beförderte.

Bis(s) zur nächsten Phase

Kurz nach Abschluss seiner 19. Lebenswoche beendete Samuel seine erste verhaltensauffällige „Phase“. Seit ein paar Wochen funktioniert unser Abendritual der ersten Wochen wieder. Allerdings ergänzt um eine Zutat – empfohlen von anderen Jung-Eltern. Das tägliche, abendliche Bad entspannt und ermüdet Samuel gleichermaßen. Manchmal sind Ratschläge eben doch sehr hilfreich. Doch kein Ding ohne Ding. Mein Sohn schläft nun nicht mehr durch, sondern meldet sich durstig einmal pro Nacht – ein Kollateral-Schaden im Vergleich zu den an die elterliche Substanz gehenden Wochen zuvor. Aber dennoch eine Zeit für meine liebe Ehefrau und mich, um Energie für die nächste „Phase“ zu tanken. Denn diese kommt bestimmt. Das Zahnen kündigt sich ja bereits an.

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