Ein fragwürdiger Wettbewerb – die Baby-Olympiade

Es stimmt. Man sollte es nicht tun. Ich war auch bereits weg von dem Zeug. Aber ich habe wieder damit angefangen. Ich habe Dr. Google um Rat gefragt! Nachdem ich bereits laut diesem Internet-Facharzt mehrmals unheilbar krank war, ein Schnupfen erste Anzeichen eines Tumors sein konnte und mir nur mehr Entziehungskuren helfen konnten, um meinen Alkoholkonsum von zwei Gläsern Bier im Monat unter Kontrolle zu bringen, nahm ich Abschied davon, Google in schwierigen Lebenslagen zu befragen. In meiner Unerfahrenheit als Jungvater wurde ich leider rückfällig. In den raren Pausen während mein Sohn schlief, bot sich die Suchmaschine ideal an, zu erfragen, warum er beispielsweise so kurz oder unruhig schlief. Oder ob seine Entwicklung den richtigen Verlauf nahm. Oder ob ich als Papa meine Aufgaben korrekt erfülle. Das Ergebnis: Die Welt muss voller Wunderkinder und Wundereltern sein Und das Ganze trägt sogar mittlerweile einen Namen: Die Baby-Olympiade.

Der Wettbewerb

Internet-Recherchen haben ja etwas von einem Unfall. Man will wegsehen, kann aber irgendwie nicht. So stößt man auf Websites, Foren, die voll von Vergleichen und Überlegenheitsgesprächen von Eltern sind. Geht ein Baby bereits mit acht Monaten, schläft ein anderes schon seit der Geburt jede Nacht durch oder identifiziert seine Erziehungsberechtigten bereits verbal. Und die Eltern wirken nie gestresst, haben scheinbar alles im Griff, als ob sie nie etwas anderes als Kindererziehung gemacht hätten. Es herrscht ein regelrechter Wettbewerb, welches Baby früher Fähigkeiten erlernt, wie Eltern den gesamten Tagesablauf strukturiert und problemlos meistern.

Mein Baby kann (nicht)

Nur in der Kategorie „Austrias next Baby-Topmodel“ kann sich mein Sohn für diese Olympischen Spiele qualifizieren. Er ist einfach das hübscheste Baby auf der Welt. Das kann ein Vater auch gar nicht anders sehen, das eigene Kind ist immer das Schönste. Sonst sieht es mit seiner Qualifikation für diesen Wettbewerb eher fraglich aus. Mit acht Monaten lassen die Zähne immer noch auf sich warten, das Durchschlafen zählt nach wie vor nicht zu seiner Passion. Auch in den sportlichen Disziplinen wird es mit einer Teilnahme schwierig: Mein Sohn robbt statt krabbelt, torkelt statt steht und brabbelt statt spricht. Aber er wirkt glücklich und zufrieden. Und damit hätte er in manchen Internet-Foren schon ein Alleinstellungsmerkmal, denn das liest man nur selten.

Dabei sein ist doch nicht alles

Ich selbst kann mich als Vater in dieser Olympiade auch nicht mit den vielen (Eltern-)Wunderwuzzis messen. Mein Tag ist einfach zu kurz. Morgens quäle ich mich nach einer durchzechten Nacht meines Sohnes aus dem Bett, gebe mein Bestes, um nicht als entflohener Walking-Dead-Zombie aufzufallen. Das Schlafdefizit der letzten Monate hat einfach Spuren hinterlassen. Ich kämpfe tagsüber, das Büro rechtzeitig zu verlassen, damit ich meinen Sohn noch im Wachzustand erlebe. Zeit für Sport oder soziale Kontakte finde ich auch bei der intensivsten Suche nur schwer. Quengelt mein Nachwuchs abends oder zeigt Anzeichen von Unwohlsein, mache ich mir Sorgen. Ich bin weit davon entfernt, zu sagen, ich hätte alles im Griff. Zu individuell, viel zu unterschiedlich sind die einzelnen Tage. Und dennoch erlebe ich gerade die schönste, spannendste und überraschendste Zeit in meinem Leben. Dafür sorgt mein Sohn – mein Wunderkind.

 

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