Pragmatisch wollten meine liebe Ehefrau und ich das Thema Baby angehen. Was soll denn schon viel anders werden mit einem neuen Mitbewohner im gemeinsamen Haushalt? Schließlich nutzten wir auch die von der Natur gegebene Vorbereitungszeit, um immer wieder selbstbewusst festzuhalten, wie wir als Eltern ticken wollen. Unser Sohn korrigierte uns bereits in seinem ersten Lebensjahr und zeigte unsere Irrtümer auf.
1) Unser Sohn fremdelt nicht
Meine liebe Ehefrau und ich zählen zu den geselligen Zeitgenossen. Folglich sollte das in vielen Ratgebern prophezeite Fremdeln nur ein ganz kurzer Lebensabschnitt bei unserem Sohn sein. Heute können wir berichten, dass wir wohl mit dem Prototypen des Fremdelns zusammenleben. Seit Wochen akzeptiert mein Sohn nur Mama und Papa, vermeidet jegliche Nähe zu nicht elterlichen Personen. Und bei Massenveranstaltungen mit mehr als drei Personen schreit er seinen Unmut unverblümt heraus.
2) Wir leben so weiter wie bisher
Dieser Punkt stand ganz oben auf unserer „Wir-werden-Eltern“-Liste. Knapp vier Jahrzehnte bauten wir unser Leben auf, sahen uns als pragmatisch denkende und mit beiden Beinen im Leben verankerte, coole Erwachsene an. Davon kann ein kleiner Mensch doch nur profitieren. So lautete unsere Theorie. Mit seinem ersten Schrei auf dieser Welt warf mein Sohn jeglichen strukturierten Alltag über den Haufen, wollte von uns Antworten zu noch nie gestellten Fragen. Jeder Tag war einfach anders. Spannend und herausfordernd zugleich.
3) Wir hören nicht auf andere
Ratschläge sind Schläge, posaunte ich selbstbewusst zu Beginn meiner Vaterschaft. Schließlich war ich der Meinung, dass ich selbst bei meiner Premiere als Vater weiß, was mein Kind braucht und will. Aber ich war es auch, der beim ersten schwierigen Thema spätnachts Hilfe suchend am Handy hing.
4) Unser Kind schläft nicht bei uns im Bett
Wie sehr bemitleideten wir andere Eltern, die berichteten, dass ihr Kind nachts nur bei ihnen im Bett Ruhe findet. Oder gar behaupteten, dass sie das gerne so machen. Für meine liebe Ehefrau und mich stand nach diesen Geschichten stets fest: Wir machen es anders. Und zogen das konsequent durch. In den ersten Monaten. Dann erweichte uns nachts Samuels Suche nach Nähe. Zuerst nur für ein paar Minuten, dann nur zum Einschlafen und schließlich nur zum Aufwachen. Heute pennt der kleine Mann ein gutes Drittel seiner Schlafenszeit in unserer Mitte. Weil wir es so wollen.
5) 3 Monats-Koliken
Warum der Dreier davor steht, frage ich mich noch heute. Eher beschreibt die Zahl einen wiederkehrenden Zyklus, als einen Zeitraum. Sehnsüchtig erwarteten wir damals den 3. Monatstag unseres Sohnes für seine windige Erleichterung. Bis wir im 6. Monat desillusioniert aufgaben und die Blähungen zu seinem Alltag zählten.
6) Wir haben genug Zeit für uns
Naiv beschenkten wir uns zu Anlässen mit Tickets für Konzerte und Events. In der festen Überzeugung dort auch gemeinsam hinzugehen. Drei Anläufe benötigten wir, um einen Abend tatsächlich als Paar zu erleben. Sonst machte uns unser Sohn jeweils einen Strich durch die Rechnung. Über die Karten freuten sich Freunde und Verwandte.
7) Windeln stinken
Das Wechseln der Windel gehörte zu einem meiner wenigen Trockentrainings während der Schwangerschaft. Die Zielvorgabe lautete, schnell und fehlerfrei die Problemstellung zu meistern. Schließlich setzt sich niemand freiwillig einer stinkenden Angelegenheit länger aus als notwendig. Dabei wurde mir oftmals versichert, dass die Windeln des eigenen Kindes für Eltern nicht riechen. Da muss meine Hebamme wohl selbst öfters verschnupft gewesen sein. Tatsächlich hinterlassen sie einen kritischen Duft. Nur steht die Mission eindeutig im Vordergrund und damit lassen sich die Tatsachen ignorieren.
8) Wir paniken nicht gleich bei der ersten Krankheit
Kinder sind empfänglicher für Viren, haben ein schwächeres Immunsystem als Erwachsene und werden daher nun mal auch krank. Aber sie werden auch wieder gesund. Jo, eh … Aber tritt dieser Krankheitsfall dann ein, lösen Rat- und Hilflosigkeit jeglichen rationalen Pragmatismus ab. Mehrere Nächte machten wir kein Auge zu, strapazierten die Batterie des Fieberthermometers, tanzten in fünf Tagen zweimal beim Kinderarzt an. Der Infekt war heilbar. Daran sollten wir uns, die selbsternannten pragmatisch denkenden Eltern, auch beim nächsten Mal erinnern.
9) Ich werde ein konsequenter Vater
Kinder brauchen Regeln. Das konnte ich in allen Ratgebern nachlesen. Also sollte ich als Vater ein gutes Vorbild sein und in Erziehungsfragen konsequent. Doch hielt ich es – als mutmaßlich emotional gefestigter Mann – auch nicht für möglich, wie ein kleiner Mensch mit einem einfachen Lachen mich so weich kochen kann. Wickelt er mich auch in Zukunft so um den Finger, kann ich mir mein Rollenbild des strengen Vaters wohl abschminken.